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Schweizer Geschichte

Die Schweiz im Mittelalter

   

Im Mittelalter fanden tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen statt. Treibende Kräfte waren die fränkischen Könige mit ihrer Grossmachtpolitik, die Adligen und die Kirche, die einerseits im Machtgerangel der Adligen kräftig mitmischte, gleichzeitig aber auch Hüterin der Kultur allgemein und der biblischen Tradition im besonderen war. Zwar orientierte sich das konkrete Handeln der Kirchenfürsten mehr an ihren Machtgelüsten als an der Bibel, aber dort wo eine Entwicklung zu mehr Menschlichkeit und sozialer Gerechtigkeit stattfand, spielte die biblische Botschaft eine entscheidende Rolle.

Das finstere Mittelalter - und erste Lichtblicke

Lokale Machthaber (Grafen, Herzöge) kochten im grossen Gerangel ihr eigenes Süppchen und kamen zeitweise bös unter die Räder, waren aber gerade im deutschsprachigen Raum oft die lachenden Dritten. Der Begriff "finsteres Mittelalter" ist angesichts der oft mit hemmungsloser Brutalität ausgefochtenen Kämpfe und des - zumindenst für die Adligen faktisch geltenden "Rechtes des Stärkeren" nicht ganz unbegründet. Schlechte hygienische Verhältnisse, grausame Strafen für Verbrecher, Fehlurteile noch und noch, Folter, Verfolgung von Andersgläubigen und angeblichen Hexen trugen ein übriges zu dieser Finsternis bei.

Das Gegengewicht bildeten einzelne Idealisten, die aus der Bibel mehr jene Aussagen ernst nahmen, die zu Menschlichkeit, sozialer Verantwortung und Gerechtigkeit aufrufen. Meist hatten sie jedoch schon innerhalb der Kirche keinen leichten Stand und waren auch selten genug in leitender Stellung anzutreffen. Ihre Bedeutung wurde oft erst nach ihrem Tod erkannt und die Wirkung ihres Einsatzes trat erst nach und nach ein, dafür ist sie, um ein modernes Wort zu gebrauchen, "nachhaltig". Nicht das antike Erbe der altorientalischen und der Mittelmeerkulturen (Sumerer, Babylonier, Aegypter, Griechen, Römer), und auch nicht das keltische oder germanische Erbe Nord- und Mitteleuropas sondern das biblische, jüdisch - christliche Menschenbild bildet die Grundlage für die modernen westlichen Ideale der Freiheit, der Gleichheit aller Menschen vor dem Recht und der sozialen Sicherheit (zur Zeit der französischen Revolution hiess letzteres noch mit der biblischen Bezeichnung "Brüderlichkeit": liberté, égalité, fraternité). Bis heute gibt es aber nicht nur im Islam, sondern auch in den christlichen Kirchen so genannte Fundamentalisten, die ihre menschenverachtenden, intoleranten Ansichten vorzugsweise mit Bibelsprüchen unterlegen und uns am liebsten zurück in die finstersten Winkel des Mittelalters führen würden.



Lehenswesen und Feudalismus

Das Grossreich der Franken und die Entwicklung zum Berufsheer

Am Beginn des Mittelalters stand aber eben gerade nichts von Humanismus, sondern das Streben der fränkischen Könige nach mehr Macht und ihr Ehrgeiz, die Nachfolge der weströmischen Kaiser anzutreten. Die rücksichtslos und mit allen Mitteln betriebene Grossmachtpolitik knüpfte nahtlos an die Methoden der römischen Feldherren und Provinzstatthalter an.

Ein Grossreich liess sich nicht mit einer bunt zusammen gewürfelten Armee erobern und halten, dessen einzelne Abteilungen von Fall zu Fall demokratisch über ihre Teilnahme an einem Kriegszug entschieden und den Anführer (Herzog) jedesmal neu bestimmten. Vielmehr brauchte es dazu eine Berufsarmee und das Geld, um eine solche zu unterhalten. Irgendwie gelang es den fränkischen Königen, ihren Stammesangehörigen dies schmackhaft zu machen (wie, konnte ich in den gängigen Geschichtsbüchern nicht herausfinden). Die Einführung der Berufsarmee veränderte aber nicht nur die Kriegsführung, sie führte auch zu einem beträchtlichen Demokratieverlust gegenüber den alten germanischen Stammestraditionen und zu einer Konzentration des Eigentums in den Händen einer kleinen Oberschicht. Dasselbe kann man übrigens auch heute noch in denjenigen Ländern beobachten, in denen das Militär sich dauernd in die Politik einmischt oder gar die Regierung selbst ausübt (Militärdiktaturen).

Ursprünglich hatten die freien Bauern und Handwerker bei allen germanischen Stämmen das Recht, Waffen zu tragen. Damit verbunden war das Recht und zugleich die Pflicht, an den Gerichtstagen (Thingen) teilzunehmen und dort bei Bedarf auch über Krieg und Frieden mit zu entscheiden. War der Krieg einmal beschlossen, musste dann aber entsprechend dem Mehrheitsbeschluss auch jeder in den Krieg ziehen. Das Land war teils im Allgemeinbesitz (Allmend: Wald und Weideland), teils wurde es den Mitgliedern einer Sippe periodisch neu zugeteilt (Ackerland).

Den fränkischen Königen gelang es nun offenbar, die Franken zu überzeugen, dass man die Gelegenheit nützen und den Römern nach dem Zusammenbruch ihres Reiches grosse Gebiete entreissen müsse. Als dann grosse Teile Nordfrankreichs erobert waren, wurde der Anmarsch zu den Stammesversammlungen immer weiter und der Militärdienst hielt die Bauern oft monatelang vom Hof fern: Die politischen Rechte und Pflichten wurden unter den neuen Verhältnissen im Grossreich zunehmend zur Last.

Zuerst wurde die Pflicht zur Teilnahme an den Gerichtstagen abgeschafft, fortan war das Volk durch 7 - 12 Schöffen an der Rechtssprechung vertreten. Von den mittleren und kleinen Bauern musste nur noch jeder zweite bzw. jeder vierte in den Krieg ziehen, während die zu Hause gebliebenen auch dessen Arbeit auf dem Hof zu übernehmen hatten. Die Grossbauern, die Sklaven hatten, konnten es sich dagegen leisten, monatelang in den Krieg zu ziehen. Eine Lösung des Problems brachte dies jedoch nicht auf Dauer, und die naheliegendste Lösung, nämlich auf die weitere Vergrösserung des Reiches zu verzichten, wurde nicht gewählt. So nahmen die Unterschiede zwischen Armen und Reichen weiter zu und damit die Macht der letzteren.

In der weiteren Entwicklung wurde es den Bauern "gestattet", ihre Freiheit aufzugeben, sich unter den Schutz eines reichen Herren zu stellen. Dieser nahm ihnen die Pflicht zum Kriegsdienst ab, dafür traten sie ihm ihre Landrechte ab und lebten fortan als Pächter, verpflichtet zu Abgaben (Zehnten) und unentgeltlichen Arbeitsleistungen auf dem Hof des Herren (Frondiensten).

Die fertige Lehenstheorie

am Schluss dieser Entwicklung sah dann so aus: Man sagte nun, das Land gehöre nicht den Leuten, die es bewirtschaften, sondern dem ganzen Volk, und der König dürfe es verteilen. Der König verteilte das Land als Lehen an weltliche Fürsten (Grafen) und geistliche (d.h. kirchliche) Fürsten (Bischöfe und Reichsäbte). Diese mussten ihm im Gegenzug Truppen zur Verfügung stellen. Um die Ausrüstung und den Unterhalt der festen Truppen bezahlen zu können, vergaben die Fürsten das Land als Unterlehen an die Ritter, die in der Armee dienten und ihrerseits das Land den Bauern, zur Bearbeitung überliessen, aber dafür von ihnen Zinsen und unentgeltliche Arbeitsleistungen verlangten. Dieses System wird auch als Feudalismus bezeichnet und und blieb in Europa bis ins 19. Jahrhundert, in Asien (China, Japan) bis ins 20. Jahrhundert hinein die vorherrschende Gesellschaftsordnung.

Die Lehenspyramide

König (Lehensherr)

Kronvasallen (Herzöge, Grafen, Bischöfe, Reichsäbte): Hohe Leihe

Aftervasallen (Ritter, Dienstmannen (Ministeriale), Äbte): Niedere Leihe

Hintersassen (Bauern, Hörige)

Ursprünglich waren die Lehen nicht erblich, sondern fielen beim Tod des Lehensnehmers (Vasallen) wieder an den Lehensherrn zurück, ebenso beim Tod des Lehensherrn an dessen Nachfolger. Damit konnte der König die Fürsten recht gut kontrollieren. Mit der Zeit verschob sich aber das Machtgleichgewicht, die Grafen wurden stärker und konnten die Erblichkeit der Lehen erreichen. Das Lehen fiel nun nur noch an den König zurück, wenn der Lehenstrüger ohne Nachkommen starb. Die Könige suchten deshalb innerhalb des Reiches ein für sie günstiges Gleichgewicht zwischen den weltlichen Fürsten und den Fürstbischöfen zu erreichen, und sie versuchten, auf die Ernennung der Bischöfe Einfluss zu nehmen. Darüber kam es zu einem jahrzehntelang dauernden Machtkampf zwischen den deutschen Kaisern und dem Papst (Investiturstreit).


Die Verwaltungsreform Karls des Grossen

König Karl der Grosse teilte 775 das Reich in kleinere, übersichtlichere Gaue auf und versuchte damit auch, die Macht der Grafen zu begrenzen. Vom Thurgau wurde der Zürichgau abgetrennt, neben den traditionellen Aargau traten ein Augstgau, Frickgau, Sissgau, Buchsgau, Waldgau (=Kanton Waadt), Genf und Wallis.


Die Christianisierung

Völker- und Religionsvielfalt im 5. Jahrhundert

Die Germanen hatten im Gegensatz zu den Römern und Kelten ursprünglich keine Priester. Wie die Kelten hielten sie ihre religiösen Feiern mit der Schlachtung von Opfertieren, gemeinsamem rituellem Mahl, Gesängen und Tänzen nicht in Tempeln, sondern in der freien Natur an besonderen Stellen ab: bei heiligen Quellen, herausragenden Eichen, in Hainen, bei grossen Felsen und Bergen. Verehrt wurden eine Vielzahl von Göttern, die jeweils für einen bestimmten Bereich des Lebens "zuständig" waren.

Im römischen Einflussbereich bestand während Jahrhunderten ein Nebeneinander der verschiedensten Religionen: keltische, germanische, griechisch-römische sowie kleinasiatische Götter wurden von den noch wenig verschmolzenen Volksgruppen der Kelten, Burgunder (im Burgund) bzw. Franken (in Nordfrankreich) und Römer verehrt. Dazu kamen Christen, vorwiegend aus den Reihen der Römer. Die römischen Kaiser hatten die Christen in ihrem Reich bis 313 immer wieder verfolgt. Als Kaiser Theodosius 391 das Christentum zur Staatsreligion erklärte und alle heidnischen Kulte verbot, war das römische Reich bereits so schwach, dass sich das Christentum nördlich der Alpen nicht mehr wirklich durchsetzen konnte, bis germanische Stämme die Macht übernahmen.


Klöster als Zellen der Kultur und des christlichen Glaubens

Einsiedler und Klöster gab es schon seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. im Nahen Osten, in Westeuropa dagegen vorerst nur vereinzelt. In Westeuropa wurden sie für die Kirche und die ganze Gesellschaft zu Zellen, die das antike Erbe in einer Zeit bewahrten, wo die Germanen sich dafür kaum interessierten. Allerdings waren die westeuropäischen Klöster in den entscheidenden Jahrhunderten arm und konnten auf keine lange Tradition zurückblicken. Deshalb besassen sie auch nicht annähernd vollständige antike Bibliotheken. Fast alles, was wir heute über die nicht christliche Antike wissen, wurde im oströmischen Reich aufbewahrt und erreichte Westeuropa erst später wieder, vieles davon auf dem Umweg über arabische Gelehrte. Immerhin pflegten die wenigen Klöster die Kenntnis der lateinischen Schriftsprache und die Kunst des Lesens und Schreibens. Kloster Romainmoîtier

In der Schweiz gründeten die Brüder Romanus und Lupizinus bereits 450 das Kloster Romainmoîtier in einem einsamen Juratal. Die systematische Christianisierung der germanischen und keltischen Bevölkerung in der Schweiz begann allerdings erst im 6. Jahrhundert, Wandermönche aus Irland (Kolumban, Gallus und weitere Begleiter) kamen um 610 an den Bodensee. Während Kolumban rastlos weiterzog, blieb Gallus als Einsiedler am Bodensee. Die Einsiedlerklause wurde zum Kern des Klosters St. Gallen.

Die benediktinische Klosterregel

Benedikt v. Nursia gründete 529 auf dem Monte Cassino bei Rom ein Kloster und gab ihm eine schriftliche Regel. Bekannt daraus sind: "Ora et labora" = Bete und arbeite und "Müssiggang ist aller Laster Anfang". Die Mönche im Kloster verpflichteten sich zu absolutem Gehorsam dem Abt gegenüber, zu freiwilliger Armut, zum Verzicht auf die Ehe und zum lebenslänglichlichen Verbleiben im gleichen Kloster (stabilitas loci). Die benediktinische Regel wurde von vielen bestehenden Klöstern freiwillig oder unter dem Druck der fränkischen Könige übernommen und löste auch eine Welle von Neugründungen aus: Klöster lagen damals im Trend.

Schwerpunkte der Tätigkeit in den Klöstern

Der Staat war im Mittelalter weder willens noch in der Lage, diese Aufgaben zu erfüllen.

Schenkungen an Klöster

Grosszügige Schenkungen von Fürsten und Königen an Klöster dienten mindestens fünf (idealerweise kombinierten) Zielen:


Gründung der wichtigsten Klöster der Schweiz

Um etwa 700 gründeten der fränkische Wandermönch Sigisbert und der einheimische Placidus in Disentis GR die älteste, ohne Unterbruch bestehende Benediktinerabtei nördlich der Alpen. Die heutige Barockkirche wurde allerdings erst nach der Plünderung und Brandschatzung durch die Franzosen 1799 errichtet.

Das Kloster Reichenau (D) auf der Insel im Bodensee wurde 724 durch einen fränkischen Bischof gegründet und mit umfangreichem Landbesitz in der Ostschweiz ausgestattet. 820 entstand hier der Bauplan für einen Neubau des Klosters St. Gallen, ein bedeutendes Beispiel für den Idealgrundriss karolingischer Klosterbauten.

Ein fränkischer Gaugraf berief 720 Otmar als Abt und beauftragte ihn, an der Stelle der Einsiedlerklause des Gallus ein richtiges Kloster zu bauen. An Othmar, den Gründer des Klosters St. Gallen erinnert der Handballklub St. Otmar St. Gallen. Das Kloster St. Gallen übernahm 747 auf Anweisung des fränkischen Hausmeiers und späteren Königs Pippin die benediktinische Regel (Bete und arbeite, Standorttreue) anstelle der columbanischen (Einsiedlertum, irdische Heimatlosigkeit). Die beiden Klöster wurden zu fränkischen Stützpunkten im Alamannengebiet. Kurz vor 800 entstanden hier die ersten beiden deutschsprachigen Bücher: ein lateinisch - althochdeutsches Wörterbuch (St. Gallen) und eine althochdeutsche Übersetzung der benediktinischen Klosterregel. Um 860 komponierte der Mönch Notker Balbulus [Notker der Stammler] kirchliche Gesänge (Hymnen), 884 verfasste er eine Biografie Karls des Grossen.

828 errichtete der Einsiedler Meinrad auf dem Etzelpass eine Klause, 835 zog er weiter in den "Finsteren Wald", wo er 861 von Räubern erschlagen wurde. 934 wurde an dieser Stelle das Kloster Einsiedeln (SZ) errichtet. Schon 947 erhob Kaiser Otto I. den Abt von Einsiedeln zum Reichsfürsten.

Seit dem Reichstag von 816 in Aachen gab es die Einrichtung der Chorherrenstifte und Damenstifte: Es handelte sich gewissermassen um Luxusklöster für Adelige, denn hier galt zwar die Pflicht, gemeinsam zu essen, in Schlafsäalen zu nächtigen und auf die Ehe zu verzichten, tagsüber war jedoch das Verlassen des Stifts erlaubt und auf Privateigentum musste auch nicht verzichtet werden. In der Schweiz gab es viele solcher Stifte, unter anderem das 874 errichtete Fraumünsterstift in Zürich, dessen Äbtissin im Range einer Reichsfürstin nur dem König unterstellt war und die Gerichtsbarkeit über Zürich ausübte.


Die Dreifelderwirtschaft

Die Nährstoffe im Ackerboden werden durch ständige intensive Bepflanzung nach wenigen Jahren aufgebraucht, so dass die Erträge sinken. Um dem entgegenzuwirken, liess man die Felder nach der Ernte ein Jahr brach (unbebaut) liegen. So konnte sich der Boden durch die Tätigkeit von Mikroorganismen und durch Düngung mit den Ausscheidungen von frei weidenden Rindern, Schafen und Schweinen wieder erholen. Eine intensive Düngung mit Kunstdünger war noch unbekannt.

In einer Urkunde des Klosters St. Gallen wurde 763 erstmals eine verfeinerte Methode der Brache erwähnt: Jeder Acker wurde nun in einem Dreijahreszyklus zuerst im Herbst mit Wintergetreide bepflanzt, nach der frühen Ernte über Herbst und Winter brach liegen gelassen, im darauffolgenden Frühling mit Sommergetreide bepflanzt und nach der (späten) Ernte ein volles Jahr brach liegen gelassen. Mit dieser Dreifelderwirtschaft waren zwei Drittel statt wie bisher nur die Hälfte der Felder gleichzeitig nutzbar, ohne dass sich der Boden merklich stärker erschöpfte. Die Erträge liessen sich insgesamt deutlich steigern.


Teilung des Frankenreiches:

Die Schweiz im Deutschen Reich

Die Enkel Karls des Grossen teilten 843 das Frankenreich unter sich auf in Westfranken (Frankreich), Lotharingien und Ostfranken (Deutschland). Die von Karl dem Grossen angestrebte, aber noch nicht wirklich erreichte Einheit des Reiches ging dabei wieder verloren. Nach dem Tod des kinderlosen Kaisers Lothar wurde das Mittelreich Lotharingien weiter zerstückelt: der nördliche Teil wurde aufgeteilt zwischen Frankreich und Deutschland, damit bildete sich eine Sprachgrenze, die heute mitten durch Belgien und Luxemburg verläuft; Burgund und Oberitalien wurden selbstständige, aber wenig stabile Königtümer. Die Westschweiz fiel dem Deutschen Reich zu, obwohl die Sprachgrenze seit der Einwanderung der Alamannen bis heute quer durch die Schweiz verläuft.

Nach dem Aussterben der Karolinger brachen die inneren Kämpfe erst recht aus. Dazu kamen Überfälle der Normannen, die aus Skandinavien kommend im 9. Jahrhundert die Nordküste Frankreichs (Normandie) und 1066 England besetzten. Die Normannen hatten in der Normandie die französische Sprache angenommen und trugen sie nach England. Aus der altgermanischen Sprache der Angeln und Sachsen als Basis (Alltagssprache) und altfranzösischen Wörtern (Sprachgebrauch der neuen Oberschicht) entwickelte sich die englische Sprache: So sind z.B. die Namen der Tiere (von den Bauern benützt) germanisch (cow = Kuh, sheep = Schaf), dagegen die Bezeichnungen für das Fleisch (auf der Speisekarte für die Herren) französisch (beef = boeuf, mutton = mouton).

Im Osten bedrängten Slawen und Ungarn das deutsche Reich. Weil ein starker deutscher König fehlte, wurde die von Karl dem Grossen zurückgedrängte ostgermanische Tradition, im Kriegsfall Herzöge als militärische Führer zu wählen, wieder belebt. Die Herzöge hielten von nun an aber an dem Titel fest und nahmen die Stellung von Stammesfürsten der Ostfranken, Sachsen, Bayern und Schwaben (=Alamannen) innerhalb des Deutschen Reiches ein. Mit der Zeit wurde die Funktion des Herzogs wie die des Grafen ein erbliches Lehen. Die Herzöge hatten gräfliche Gewalt (Richteramt), das Recht, Zölle zu erheben (Zollrecht), Münzen zu prägen (Münzrecht) und Märkte zu gründen (Marktrecht).


Weltliche und kirchliche Macht: Investiturstreit

Der deutsche König Otto I. versuchte, die Macht der Herzöge zu begrenzen. Er setzte er nahe Verwandte als Herzöge ein und verlieh den hohen Geistlichen (Bischöfen und wichtigen Äbten) weltliche Lehen und die gleichen Rechte wie den Herzögen. Dabei stütze er sich auf die bestehende Praxis, dass der König die hohen Geistlichen in ihre Ämter einsetzte.

Im 9. Jahrhundert ging die religiöse Ernsthaftigkeit in den Klöstern zurück, letztlich eine konsequente Folge der Funktion als grosszügig gesponsorte Versorgungsanstalten für überzählige Nachkommen aus Adelshäusern. Vom 910 gegründeten Kloster Cluny (70 km nördlich von Lyon, Burgund) ging eine starke Reformbewegung aus. Auch Kaiser Heinrich III. (1039 - 1056) bemühte sich um eine Kirchenreform, die Abschaffung der Käuflichkeit von kirchlichen Ämtern und die Ehelosigkeit der Priester (Zölibat). Innerhalb der Kirche führte die Reform zur Stärkung des Papsttums aber auch zu grösseren Machtansprüchen.

Der Machthunger des Reformpapstes Gregor VII

Papst Gregor VII. (1075 - 1085), ein ehemaliger Mönch, versuchte die Missstände in der Kirche zu beheben. 1075 erhob er in seinem Edikt "dictatus papae" Anspruch auf die alleinige Regelung kirchlicher Belange. Damit stellte er sich frontal gegen die Politik der deutschen Könige, Bischöfe als geistliche Fürsten zu ernennen um ein politisches Gegengewicht zu den weltlichen Fürsten zu schaffen. Das Edikt enthält in Artikel 22 auch eine Erklärung der "Unfehlbarkeit der Kirche". Mit diesem arroganten Machtanspruch ging er den entscheidenden Schritt zu weit - und schuf sich Reformgegner, die nun auch sinnvolle Neuerungen bekämpften.

Als kurz darauf König Heinrich IV. nach alter Tradition einen Bischof von Mailand ernannte, belegte ihn der Papst mit dem Bann und erklärte, die Untertanen seien nicht an Treueeide gegenüber Heinrich IV. gebunden. Durch den Bussgang nach Canossa (I) erreichte Heinrich IV. anfangs 1075 die Aufhebung des Bannes, trotzdem wurde im März sein Erzrivale Graf Rudolf von Rheinfelden, Herzog von Schwaben, von den deutschen Fürsten zum Gegenkönig gewählt. Dies löste einen Bürgerkrieg aus. Heinrich besiegte den Gegenkönig 1080 und zwang Papst Gregor 1084 zur Abdankung. Letztlich blieb aber der Papst Sieger in diesem Machtkampf um die Einsetzung (Investitur) der Bischöfe.
Mehr zum Investiturstreit


Für die Geschichte der Schweiz wichtige Grafen und Städtegründungen

Zur Zeit der Ottonen und Salier (925 - 1125) auf dem deutschen Kaiserthron gehörte das Gebiet der heutigen Schweiz

Alle diese Gebiete gehörten zum "Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation" unter dem deutschen Kaiser.

Zähringer

Das alamannische Fürstengeschlecht der Zähringer stammte aus dem südlichen Schwarzwald (heute Deutschland). Berthold I. und Berthold II. bemühten sich im 11. Jahrhundert vergeblich um den Titel des Herzogs von Schwaben, der 1057 zunächst an Graf Rudolf von Rheinfelden ging. Im Investiturstreit standen die Zähringer auf der Seite des Papstes und des Gegenkönigs Rudolf v. Rheinfelden, der ihnen den Herzogstitel verlieh. Berthold II. erhielt als Schwiegersohn Rudolfs nach dessen Tod 1090 die Güter des Hauses Rheinfelden. Er errichtete 1091 die Burg Zähringen bei Freiburg im Breisgau (D), nach der sich die Familie fortan benannte. Nach der definitiven Niederlage der päpstlichen Partei verzichtete Berthold II. auf den Titel des Herzogs von Schwaben und nannte sich stattdessen Herzog von Zährigen. Die Städte Freiburg im Breisgau(D), Fribourg (=Freiburg im Uechtland FR, 1157) und Bern (1191, reichsfrei 1218) sind Gründungen der Zähringer. Sie bauten auch das 1033 in den Kämpfen zwischen dem deutschen König Konrad II. und den Burgundern zerstörte Murten wieder auf.

Lenzburger

Die Grafen von Lenzburg starben 1173 aus. Der Zähringer Berthold IV. erhielt danach die Reichsvogtei über Zürich und Uri, die Habsburger das Elsass und die Vogtei über Unterwalden und Schwyz, die Reichsvogtei Glarus ging an Otto (den Sohn des Kaisers Friedrich I. Barbarossa), die Kyburger schliesslich gewannen Baden und Lenzburg, Zug und die Vogei über Beromünster LU und Schänis SG.

Kyburger

Die Grafen von Dillingen erwarben 1065 die Kyburg (bei Winterthur) und nannten sich fortan Grafen von Kyburg. Ihr Einflussbereich umfasste die heutige Nordostschweiz (nordöstlich von Zürichsee und Limmat, südlich des Rheins, inkl. Glarus, ohne das Rheintal und Graubünden), sowie das Freiamt (AG).

Habsburger

Die Grafen von Habsburg begannen auf der Habsburg (Habichtsburg) bei Brugg AG und wurden gross, als sie 1218 die Zähringer beerben konnten. Nun kontrollierten sie das Elsaß das Fricktal, das Gebiet der heutigen Kantone Luzern, Ob- und Nidwalden (exklusive Kloster Engelberg), Zug und Schwyz (exklusive Kloster Einsiedeln).

Abt Norbert von St. Gallen stiftete 1061 eine Kirche im neu gegründeten Ort Appenzell und verlieh ihr beträchtliche Einkünfte: die Grundbesitzungen umfassten im wesentlichen den heutigen Halbkanton Appenzell Innerrhoden).



"Recht" und Gerichtsbarkeit im Mittelalter

Alamannisches Gesetzbuch von 717

Im Frankenreich hatten die germanischen Stämme einen gewissen Spielraum für die Pflege ihres althergebrachten Stammesrechtes. 717 - 719 entstand so das (lateinisch geschriebene) Gesetzbuch des alamannischen Herzogs Lantfried. Feiertagschristus. Kirche St. Peter Mistail GR:
Das Verbot der Sonntagsarbeit wird dem Volk eingeschärft Es enthielt neben traditionellen alamannischen Rechtsnormen auch einige Neuerungen, die klar auf den Einfluss der Christianisierung zurückgehen: so z.B. das Kirchenasyl (ein Sklave, der sich in eine Kirche flüchtete, durfte dort von seinem Besitzer nicht belangt werden, er hatte Anspruch auf Vermittlung und Schlichtung durch den Priester). Ein Bussgeld (Wergeld) löste bei Mordfällen die Blutrache ab. Weiter wurde die Sonntagsarbeit verboten, und in den Kirchen wurde mit Darstellungen des "Feiertagschristus" (wie nebenan aus der Kirche Mistail GR, um 800) versucht, dieses Verbot dem Volk auch einzuschärfen.


Fehden

Unter den Rittern im Mittelalter galten bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Einzelnen oder Sippen bis hin zu regelrechten "Privatkriegen" seit der fränkischen Zeit neben dem ordentlichen Rechtsweg über die Gerichtstage als anerkanntes Mittel, eigene Rechtsansprüche durchzusetzen. Im 11. Jahrhundert versuchte die Gottesfrieden - Bewegung, die unter dem Eindruck der Gräuel des burgundischen Thronfolgekrieges von 1033 von burgundischen Klöstern ausgegangen war, die überhand nehmenden Fehden einzudämmen. 1036 beschlossen die Bischöfe von Lausanne, Vienne (F) und Besançon (F), dass vom Mittwochabend bis zum Montagmorgen und im Advent bis zum Dreikönigstag sowie in der Osterzeit vom 9. Sonntag vor Ostern bis eine Woche nach Ostern alle Fehden ruhen sollten. Der deutsche König Heinrich III. griff die Idee auf und erliess 1040 Friedensgebote, die Fehden unter Strafe stellten. Im Ewigen Landfrieden von 1495 wurden die Fehden endgültig verboten.


Barbarische Prozesse, Folter und Strafen, "Gottesurteile"

In Fällen, wo weder eindeutige Zeugenaussagen noch ein freiwiliges Geständnis vorlagen, wurde entweder versucht, ein Geständnis unter allerlei Foltermethoden zu erzwingen oder aber man verliess sich auf ein sogenanntes Gottesurteil: der Angeklagte wurde in einen Sack eingenäht in einen Fluss geworfen oder musste über glühende Kohlen gehen usw.: überstand er dies unverletzt, dann hatte Gott dem Unschuldigen geholfen, ansonsten ging man davon aus, dass der Schuldige die gerechte Strafe gefunden habe.

Auch die Vorstellungen davon, was eine gerechte Strafe sei, waren ganz anders als heute: Erhängen oder mit dem Schwert enthaupten waren noch vergleichsweise humane Hinrichtungsarten. Wer mehr Pech hatte, wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt, in kochendem Öl gesotten, auf ein Rad gespannt, bis die Knochen brachen und er erstickte, oder wie die burgundische Königin Brunhilde 613 drei Tage gefoltert und dann von Pferden zu Tode geschleift.


Hexenwahn

Im spätmittelalterlichen Hexenwahn wurden ursprünglich nicht zusammengehörende Elemente des volkstümlichen Zauber- und Aberglaubens (Flug auf dem Besen, Verwandlung in Tiere, böser Zauber), keltische Bräuche (Walpurgisnacht), und abstruse Spekulationen der kirchlichen Theologie (Teufels- und Dämonenglaube) systematisch zu einer Hexentheorie zusammengeführt. Federführend waren dabei berühmte (und als Frauenverächter berüchtigte) Theologen wie Augustinus (354 - 430) und Thomas v. Aquin (1225 - 1274), die mehr auf der Grundlage antiker Philosophie (Neuplatonismus, Aristoteles) als aus dem Geist der Bibel dachten. Die pseudowissenschaftliche Untermauerung des Dämonen- und Zauberglaubens durch die spekulative, scheinbar rationale Philosophie der Scholastiker erweist sich im Nachhinein als offensichtlich haltlos.

Während bezüglich der Wirtschaft, Architektur, Kunst und Wissenschaft usw. die Epoche der Renaissance ("Wiedergeburt" = Rückbesinnung auf antike Werte vom 15. bis 18. Jahrhundert) viele Fortschritte brachte, erreichten die Auswüchse in der Justiz und speziell der Hexenwahn ab 1487 mit dem kirchlichen Gesetzbuch Hexenhammer (Papst Innozenz VIII. [= "der Unschuldige" !??!]) den Höhepunkt sowohl bei der Zahl der verfolgten Frauen wie auch bei der unmenschlichen Grausamkeit, mit der kirchliche (päpstliche) Inquisitoren [Untersuchungsbeamte] gegen unschuldige Opfer vorgingen.

Woher kommt dies, welches waren die Motive der Kirche? Es scheint, dass das Wissen weiser Frauen über Kräuter und "Hausmittel" und besonders ihre Kenntnisse in der Empfängnisverhütung als Gefahr für die Macht der Kirche betrachtet wurden. Es ist zu bedenken, dass auch die Fortschritte in den Wissenschaften ganz eindeutig gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen (nicht nur, aber vor allem der katholischen) erreicht wurden. Auch Galileo Galilei, der Experimente mit exakten Messungen als Grundlage der Naturwissenschaft einführte und mit solchen die Pendelgesetze und die Fallgesetze fand, geriet wegen seiner Vorstellungen vom Verhältnis der Bibel zur Naturerkenntnis in Konflikt mit der Inquisition [kirchliches Strafgericht] und wäre auf dem Scheiterhaufen gelandet, wenn er sie nicht 1633 widerrufen hätte. Die Fortschritte in der Wirtschaft wurden vom aufstrebenden städtischen Bürgertum getragen, waren volkswirtschaftlich unverzichtbar und brachten auch den Adligen und der Kirche finanziell hübsche Gewinne, während die Rechtspflege in den Händen der konservativen Adligen und der Kirche verblieb.

Die Dienstmagd Anna Göldi aus Glarus wurde 1782 unter dem Vorwurf, das Kind ihrer Herrschaft verhext zu haben, als letzte "Hexe" der Schweiz hingerichtet. Dass dieser letzte Hexenprozess Europas ausgerechnet in der Schweiz stattfand, ist leider kein Zufall: Neue Ideen brauchen auch heute noch etwas länger, bevor sie sich auch hierzulande durchsetzen. (vgl. Eveline Hasler: Anna Göldi, die letzte Hexe, Roman, 1980 ??? ).


Ausblick

So sind einerseits gewisse Fortschritte in Richtung modernes Rechtsverständnis sichtbar (Eindämmung der Fehde, Blutrache und der Verfügungsgewalt über Sklaven und damit der Selbstjustiz), andererseits verlieh die Kirche mit der Praxis der so genannten "Gottesurteile" und dem Hexenwahn eigentlichen Justizmorden auf der Basis von haarsträubendem Aberglauben einen Anschein von höherer Gerechtigkeit. Insgesamt gehört aber gerade der Bereich der Justiz zu den finstersten Seiten des Mittelalters. Die Fortschritte hin zur Neuzeit sind dabei keineswegs das Verdienst der offiziellen Kirche(n), sondern von Dissidenten, die Lehre und Praxis der Kirche nicht zuletzt unter Berufung auf den Geist des Evangeliums kritisierten.




Literatur und Links zur Geschichte der Schweiz im Mittelalter:



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